Seit 1984 hatte ich immer drei Berner Sennen – Großmutter – Mutter – Tochter auf meinem Hof und habe mir immer dann, wenn die Großmutter starb, mit der jüngsten Hündin Nachwuchs gezogen. So ging es bis 2003. In dem letzten Wurf wurden drei Mädchen und ein Junge geboren. Alle Bekannten wollten ein Mädchen, da der Junge sehr klein war. So blieb Etzel mit Mutter und Großmutter auf dem Hof. Aus ihm wurde ein stattlicher Rüde mit 70 cm Schulterhöhe und 63 kg Gewicht, dazu eine imponierende Löwemähne. Wenn er auftauchte und mit einem tiefen „Wuff“ die Gäste begrüßte, zogen diese es vor, doch lieber hinter dem Zaun zu bleiben. Als dann die Großmutter und Mutter starben, litt Etzel sehr unter der Einsamkeit. Ich kaufte für ihn einen Berner Welpen. Die beiden rauften sich zusammen. Nach etwa einem halben Jahr musste ich feststellen, dass der kleine Erro vom Aussehen „ja“, aber vom Charakter alles andere als ein Berner war. Nachforschungen brachten es ans Tageslicht – ein Fehltritt seiner Urgroßmutter mit einem Rottweiler. Leider hatte er überwiegend dessen Charakter. Die Jahre gingen hin und als dann Etzel starb, fiel Erro in ein tiefes Loch. Teilnahmslos und traurig blieb er zurück.
Für mich stand fest, er braucht einen Kumpel. Und so beschloss ich, diesmal einen erwachsenen Rüden zu kaufen. Meine Vorstellung: Bernhardiner, Neufundländer oder Berner. Bekannte suchten für mich im Internet. Es ging sehr schnell und telefonisch meldete sich der Verein N.i.N.! Eine Frau Brabandt sagte, dass sie für mich einen sechsjährigen Neufi hätte und gab mir die Telefonnummer der abgebenden Familie. Ein Anruf meinerseits, die Familie und ich kamen überein, dass sie mir den Rüden noch im Februar bringen wollte. Und wieder klingelte das Telefon und Frau Brabandt säuselte mit gewinnender Stimme – Frau Conradt was gibt es schöneres als einen Neufundländer? – hm – na fünf Neufis!!! Darf ich ihnen morgen fünf Neufihündinnen bringen, ich muss kurzfristig einen Zwinger auflösen. Nichts war es mit einem abgeklärten sechs-jährigen Beschützer für mich – stattdessen einen Haufen zänkischer Weiber! Natürlich habe ich ja gesagt und so kam ich halt am 23. Februar 2012, sprichwörtlich wie die Jungfer zum Kind zu einer Pflegestelle des Vereins N.i.N! Der Zustand der fünf Hündinnen war erschütternd. Wie kann man diese armen Hunde, mit denen man jahrelang viel Geld gemacht hat, so verkommen lassen. Nun waren erst einmal intensive Körperpflege und eine Gesundheitsüberprüfung in der Schweriner Tierklinik angesagt. Mein kleiner Erro erkannte die Gefahr der Übermacht sofort, warf sich auf den Rücken und ergab sich. Das kam natürlich bei den Hündinnen, die ja alle schon Mutter waren, gut an.
MALEIKA, 12 Jahre, hatte einen großen Tumor am Hals, an der Lefze, am Gesäuge und eine Sonographie ergab weitere Tumore im Körperinneren.
AYSHA, 9 Jahre, sehr verwahrlost und stark abgemagert mit sehr großen Hautproblemen.
QUWENDA, 9 Jahre, schlechter Pflegezustand, Knochentumor im rechten Vorderbein und Milztumor.
VIONA, 8 Jahre, Pflegezustand befriedigend, Tumore im gesamten Bauchraum.
DOLORES, 4 Jahre, hatte auf beiden Augen ein Glaukom und einen dreifach erhöhten Augeninnendruck, der starke Schmerzen verursachte und so konnte ihr nur eine sehr kostspielige OP helfen, ihre Blindheit blieb. Wenige Wochen später bekam sie eine Pyometra und so folgte eine weitere OP.
Weiter ging es dann mit
BAXTER, 11Monate alt, musste an der Schulter und am Ellenbogen operiert werden.
KORSAR und KESSI, 4 u. 5 Jahre alt, im schlechten Ernährungs- u. Pflegezustand.
LONI 4 Jahre, soweit i.O., wurde aus familiären Gründen abgegeben.
SCANDO (6 J ), ONEX ( 7J ), MYLO ( 5 J ), Ernährungzustand gut, Pflegezustand mangelhaft und ohne erzieherische Vorbildung, Abgabe ebenfalls aus familiären Gründen.
CORA, 8 Jahre alt, mit ausgeprägter Allergie und sehr großen Hautproblemen. Abgabe aus Altersgründen.
BALTASAR und CARRY, 5 und 12 Jahre alt, aus familiären Gründen abgegeben.
PETER PAN, 6 Jahre, musste an beiden Augen (Entropium) operiert werden.
ATTILA, 7 Monate, Infektionskrankheit und panische Angst vor Männern.
HALKA, 7 Monate, schwere HD, musste operiert werden.
Und im Juni diesen Jahres kamen ARON und SPIK, 8 und 10 Jahre, die aus Altersgründen und einiger anderer Problemchen ihren Lebensabend in der Pflegestelle verbringen sollen.
So gingen in fast 5 Jahren Pflegestellenbestehens 20 Hunde durch meine Hände. Gepflegt und mit wiederhergestellter Gesundheit konnten sie an liebe Menschen weitervermittelt werden.
Sieben von ihnen musste ich aber auch auf ihrem letzten Weg begleiten. Und da ist er, der Spagat zwischen „das Tier soll nicht länger leiden“ und der Frage „hast du überhaupt das Recht“ über Leben oder Tod des anvertrauten Tieres zu entscheiden. Bekannte und Freunde sagten oft – nimm dir das doch nicht so zu Herzen, es sind doch nicht deine eigenen Hunde. Doch! Es sind meine Eigenen, wenn auch nur auf Zeit. Ich denke, man kann den oft geschundenen Kreaturen nur so die Zuneigung, Liebe und Pflege geben, die sie verdienen.
Trotz alledem bin ich Frau Brabandt dankbar, dass sie den Mut hatte, mir trotz meines schon etwas fortgeschrittenen Alters, eine Pflegestelle anzuvertrauen.
ARON und SPIK sowie die Stammbesatzung Hausherr ERRO und die blinde DOLORES sorgen gemeinsam dafür, dass es in Haus und Hof nicht langweilig wird, denn bei aller Arbeit gibt es auch viele schöne Momente mit den Schnuffelbären.
Ilona Conradt
Etzels Bärenhöhle
Pflegestelle für N.i.N e.V
In Mecklenburg