Aragon

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Martin Thurau: wie ich auf den Neufie kam:

Das Berufsleben verschlug mich in eine triste wald- und wasserreiche Gegend Deutschlands weit weg von zuhause und Frau. Die Einsamkeit der Region und eine große Arbeitsbelastung hätten mich arg mitgenommen, wäre da nicht der wilde, liebe Neufie „Klaus von Störtebecker“ meiner Vermieterin gewesen. Wir hatten uns sofort gegenseitig ins Herz geschlossen, zumal der arme Klausi von seinem Frauchen leider nur als „Hund draußen“ gehalten wurde, im Zwinger und ohne Zugang zur Wohnung, das ganze bei lausiger Ernährung! Obwohl mir teilweise verboten, brachte ich Klausi 3 Jahre lang Liebe, Leben und Nahrung. Der Lebensinhalt von meiner Frau, die mich jedes Wochenende besuchte, und mir. Es musste der entsetzliche Abschied kommen, aber von nun an war nichts mehr so wie zuvor….

Aragon:

Da war jemand 60 km weit vom meinem Arbeitsort, der uns noch dringender brauchte: Aragon, ein ca. 10-jähriger Neufie-Rüde in Not. Ich erhielt von Frau Brabandt Nachricht darüber und machte mich sofort auf den Weg. Da war ein verhärmtes, völlig kahl geschorenes, krankes und abgemagertes Kerlchen vom Neufundkänder-in-Not e. V. aus einer sehr misslichen Lage befreit wurden in der Obhut einer fürsorglichen Tierärztin gelandet und wohnte dort in einer Pferdebox, im Februarfrost mit einem Pullover bekleidet. Nach regelmäßigen Besuchen und Wanderungen gab es keinen Zweifel: wir gehen gemeinsam durch das weitere Leben.
Beide in echter Hundehaltung völlig unerfahren, empfing meine Frau den Aragon und mich Samstagsmorgens um 2.00 Uhr daheim in Schweinfurt, mein zweiter Hausstand größtenteils auf dem Dach des Golf verstaut. Um halb 4 sagte ich zu meiner Frau: „Petra, ich hole die Isomatte…“ und zog zu dem winselnden Aragon auf den Fußboden. Am darauffolgenden Montag trat ich eine neue Vollzeitstelle an, meine Frau hatte noch 14 Tage Urlaub. Und dann wurde es spannend: Aragon konnte noch bei weitem nicht allein bleiben, was er durch Gewaltangriffe auf Türen und laute Bellkonzerte kundtat!! Wohl dem, der dann eine verständnisvolle Nachbarschaft hat, bei der wir ihn sich zum Eizug mit einem Rundschreiben vorstellen ließen! Besuch vom Neufie-in-Not-e.V., Telefonberatungen bis spät in die Nacht, Einsatz von 2 Hundetrainern, harte, schmerzliche Erziehungsarbeit. Der Countdown lief….., Aragon, Du warst doch schon ein Teil von uns – Du ins Tierheim? Unvorstellbar!! Und – oh Wunder – er schaffte es in der allerletzten Minute. Seitdem haut er sich tagsüber 2-mal 4 Stunden in der Wohnung auf´s Ohr im tiefen Vertrauen, dass wir ihm in jeder freien Minute alles zurückgeben werden.

Aragon hat keine Scheu vor den verwegendsten Ausflügen in die unwegsame Natur, ist aber auch ein angenehmer und sehr gern gesehener Gast auf Hochzeiten und gepflegten Geburtstagsfeiern.
Unser Leben hat sich total verändert: ein Neufundländer wohnt mit uns, streichelt uns von seinem Teppich aus nachts mit seinem Schnarchen und seinem melodischen Heulen im Traum, hält uns an zu sehr viel Bewegung und absoluter Regelmäßigkeit, fordert unsere Fürsorge aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit, hält uns in Atem mit seinem Querschädel, frei laufend in der winterdunklen Natur, gehorcht und gehorcht wieder nicht, verlangt permanente, konsequente Erziehungsarbeit und anspruchsvolle Beschäftigung. Ein Neufie wie er leibt und lebt. Aber alle Ängste, Mühen und Sorgen sind völlig vergessen angesichts dessen, wie er sich emotional und physisch entwickelt hat, und wie er seine Lebensgemeinschaft schützt und pflegt.

Hoffentlich bleibt Aragon uns lange erhalten. Und wenn er irgendwann von uns geht, ist unsere Tür weit geöffnet für mindestens einen Neufie in Not….!!

Martin Thurau

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